
Eine Foto-Safari mit dem Geländewagen? – Für aktive und sportliche Menschen klingt das wie eine Drohung. Abenteuerlustige und Bewegungshungrige sollten deshalb in Sambia auf Safari gehen – das Land mit seinen tierreichen Nationalparks gilt als „Wiege“ der Walking Safaris: Begleitet von bewaffneten Wildhütern geht es zu Fuß auf Pirsch.
Ein bisschen habe ich meine Großstadtsinne für den afrikanischen Busch bereits geschärft. Anfangs hielt ich die Abdrücke meiner eigenen Trekkingschuhe noch für Leoparden-Spuren und blickte mich nervös um. James, mein Guide, und Bob, mein Tracker vom Stamm der Chikunda, hatten gequält gelächelt. Wie man das zuhause tut, wenn jemand einen 7er BMW mit einem Fiat Punto verwechselt. Doch inzwischen habe ich das kleine Einmaleins des Spurenlesens gelernt. „Büffel“ raune ich mit Überzeugung in der Stimme. Meine Augen werden größer: „Viele Büffel. Ganz nah, eine große Herde.“ In dem Moment, in dem wir in Deckung gehen wollen, vibriert auch schon der Boden. Die Halme des Savannengrases zittern wie bei einem leichten Erdbeben. Die Herde, es sind mehr als 100 Tiere, setzt sich trabend in Bewegung. Staub und der strenge Geruch der Bullen dringen in unsere Nasen.
Mich überkommt plötzlich so eine Sehnsucht, den South Luangwa Nationalpark im Osten Sambias doch lieber von einem Safari-Fahrzeug aus zu erkunden. Vor allem beunruhigt es mich, dass James ziemlich blass ist und Bob sein großkalibriges Gewehr entsichert hat. Durch dicht stehende Mopane-Bäume blicken uns dunkle Augen an. Wir erkennen feuchte Nüstern, die unsere Witterung aufnehmen, und massige Hörner auf den Schädeln der bis zu einer halben Tonne schweren Bullen. Ich fühle mich ausgeliefert und bin gleichzeitig fasziniert. Ich kämpfe Fluchtreflexe nieder und blicke James an, der erst gestern erzählt hatte, dass er vor Raubkatzen keine Angst habe, aber vor Jahren bei einer Pirsch von Büffeln niedergetrampelt worden sei und seitdem einen Heidenrespekt vor diesen „Räumkommandos der Savanne“ habe. „Nicht davon laufen, niemals!“, hatte mir James eingetrichtert. Auch dann nicht, wenn Elefanten bedrohlich mit den Ohren wedeln, oder Löwen das Maul weit aufreißen. Oder eben 100 Büffel ihr Guten-Morgen-Jogging in Angriff nehmen. Ich beiße die Zähne zusammen und kauere mich ins Gras. Keine 30 Sekunden später ist der Spuk vorbei. Die Herde ist in weniger als 50 Metern Entfernung vorbeigezogen und wir können durchatmen.
„Wir wollten Löwen und bekamen Büffel!“
Es stimmt schon: In einem Safariwagen kann man Afrika sehen. Zu Fuß kann man es zusätzlich fühlen, riechen, schmecken und hören. Die sinnlichen Eindrücke sind viel intensiver, man wird Teil der Savanne. Durchs Fernglas herangezoomt, ist die Elefantenfamilie, die zum Trinken an den Fluß kommt, zum Greifen nahe. Bis auf wenige Meter lassen uns Zebras an sich heranpirschen. Und es macht einen Riesenunterschied, ob der Leopard eine beliebige Gazelle oder genau dich mit seinem Blick fixiert. Näher kann man Afrika kaum kommen. Theoretisch sind Angriffe von Wildtieren natürlich möglich. Doch das Risiko ist gering. Die Ranger haben jahrelang das Verhalten der Tiere studiert und wissen, wie nahe sie ihnen auf den Pelz rücken dürfen, ohne sie zu stören oder sie aggressiv zu machen – sofern man nicht gerade in eine Herde joggender Büffel hineinläuft.
„Wir wollten Löwen und bekamen Büffel“, scherzt James. In seinem Safari-Dress in Tarnfarben und dem Hut sieht er ein bisschen wie der kleine Bruder von Indiana Jones aus, und das ist wohl auch beabsichtigt. Trotzdem wirkt es an ihm authentisch. Schon seit dem Morgengrauen sind wir im abgelegenen, südlichen Teil des Parks zu Fuß auf der Pirsch, um die großen Katzen aufzuspüren. Wir hatten Abdrücke von Tatzen und immer wieder frische Kothaufen entdeckt – zuhause hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass mich ein Haufen frischer Löwen-Kacke einmal so in Ekstase versetzen würde. Wir waren ihnen ganz dicht auf den Fersen. Doch die Miezekatzen hatten keine Lust, bei unserem „Tracking“ mitzuspielen.
Walking Safari – am besten zwischen Kenia und dem Kap
Für uns ist das keine Enttäuschung. Im Park leben auf der Fläche Graubündens über 50 Säugetier- und mehr als 400 Vogelarten. Das Schutzgebiet wartet mit so vielen Naturschönheiten auf, dass wir auch ohne Löwen nicht aus dem Staunen herauskommen. Zwar ist das Tal des South Luangwa Flusses und seiner Seitenarme nicht die erste Adresse für „Big-Five-Sammler“ (Löwe, Elefant, Leopard, Nashorn, Büffel), weil die Rhinozerosse hier schon vor Jahrzehnten ausgerottet wurden. Doch für eine Walking-Safari ist es das wohl beste Revier zwischen Kenia und dem Kap. Walking Safaris fanden hier schon statt, als die Wildhüter in Tansania und Südafrika bei dem Gedanken an im Busch herumstreifende Touristen noch die Hände über dem Kopf zusammenschlugen.
Die Geschichte des Wildschutzes begann hier bereits Ende des 19. Jahrhunderts, als die British South Africa Company (BSAC) das Gebiet verwaltete. Die Company setzte ein vollständiges Verbot der Jagd auf Flusspferde und Elefanten durch, denn der Chikunda-Stamm und die arabischen Händler von Malawi hatten diese Tierarten nahezu ausgerottet. Als sich die Populationen erholten, schuf die BSAC 1904 das erste Tierschutzgebiet in der Region. In den folgenden Jahren stieg die Zahl der Elefanten wieder stark an, sodass die Dickhäuter zu einer Gefahr für die örtliche Bevölkerung und die Ernten wurden. Einige Jäger erhielten deshalb die Erlaubnis, Elefanten zu erlegen. Damit die Großwildjäger nicht nur die mächtigsten Bullen wegen ihrer Stoßzähne schossen, wurde 1932 eine Behörde zur Kontrolle der Elefantenpopulation eingerichtet. Der Grundstein für den North und den South Luangwa Nationalpark war gelegt.
James liebt den Park und den South Luangwa River. Er hat hier schon die abenteuerlichsten Geschichten erlebt. Einmal beobachtete er eine Ägyptische Gans im Wasser mit dem Fernglas. Als er das nächste Mal hinsah, gab es großes Gezeter und dann ragte nur noch der Schwanz der Gans aus dem Wasser; sie war um 180 Grad gedreht worden. Einige Sekunden später „poppte“ die Gans an die Oberfläche, diesmal wieder mit dem Kopf nach oben. Das Drehbuch zum „Alle-meine-Entlein“-Lied hatte ein großes Krokodil geschrieben. Und die Gans hatte einen guten Schutzengel, denn nur höchst selten entkommt einem Krokodil seine Beute, wenn es einmal zugeschnappt hat.
Vorsicht beim Glas Gin Tonic – Krokodile lauern
Ein anderes Mal war James beim Angeln und hatte es auf die für ihre Kampfeskraft legendären Tiger-Fische abgesehen. Er war auch erfolgreich und drillte seinen Fang gerade müde, als ein mindestens vier Meter langes „Croc“ in bester „Der weiße Hai“-Manier auftauchte und den „Tiger“ im Wasser direkt vor seinen Füßen packte. Walter konnte gerade noch die Schnur kappen, so perplex war er, sonst hätte er auch noch die Angel verloren. Beim Sundowner mit Gin & Tonic trete ich unwillkürlich einen Schritt weg vom Ufer. Ich habe gelernt, einen fast schon kitschigen Sonnenuntergang in vollen Zügen zu genießen und dennoch meine Gefahren-Antenne zu benutzen. Und die signalisiert mir, dass gerade ein Prachtkerl von Nil-Krokodil lautlos in den Fluss gleitet. Keine 20 Meter entfernt. Adrenalin durchströmt meinen Körper, vermischt sich mit dem Alkohol im Blut. Was für ein berauschendes Hochgefühl!
Brinsley, der Manager des Chindeni Bushcamp, begrüßt mich mit einem feuchten, kühlen Tuch. Er erzählt mir von den Löwen, die gestern durchs Camp spazierten. Zuerst möchte ich mich ärgern, weil wir sie so lange vergeblich gesucht hatten. Doch schnell wird mir bewusst, dass der riesige Nationalpark eben kein Zoo ist – und das so auch in Ordnung ist. Alles andere wäre schnell langweilig. Brinsley zeigt mir die komfortablen, aber nicht übertrieben luxuriös ausgestatteten Zelte. Ich beziehe ein echtes Busch-Camp – mit einem nach oben offenen Bad, das von geflochtenen Wänden aus Elefantengras begrenzt wird. Eine Dusche unter Afrikas Sternenhimmel mit freiem Blick auf das Kreuz des Südens! Außer mir ist nur noch ein Paar im Camp, so dass alle dienstbaren Geister geradezu begierig sind, uns einen Wunsch zu erfüllen. Ist Wäsche zu waschen, ein Drink zu mixen? Alles ist stimmig: der Service, die Speisen mit lokalen Noten, die Architektur, die eine feine Balance wahrt zwischen Luxus und naturverbundener Bauweise. Genauso haben sich das Sambias Tourismusplaner vorgestellt: Wer durch einen der Nationalparks läuft oder fährt, soll nur wenigen Besuchern begegnen. Die Angebote richten sich an ein kleines, zahlungskräftiges Publikum, aber es geht nicht so übertrieben elitär zu wie in Botswana. Sambia hat sich gegen den Massentourismus entschieden; eine Ausnahme ist allenfalls die südliche Region um Livingstone mit den Victoriafällen.
Wo bleiben die Elefanten?
Noch am selben Abend gehen wir wieder auf Pirsch. Schweigsam durchstreifen wir den Busch und machen einen Bogen um die Sumpfgebiete, in denen Jacanas leichtfüßig über Wasserpflanzen huschen und Sattelstörche Frösche jagen. Baumgruppen passieren wir mit Controller-Blick nach oben auf der Suche nach Leoparden im Geäst. Bob zeigt uns ein „Büffel-Wellness-Center“, wie er es nennt: Das sind Baumstümpfe, die die Tiere regelmäßig aufsuchen, um sich daran zu reiben und Parasiten wie zum Beispiel Zecken abzuschütteln. Wann immer wir solche Stümpfe entdecken, wissen wir, dass eine Herde hier regelmäßig vorbeizieht.
Es ist ein faszinierendes Gefühl, den Busch im Wortsinn lesen und begreifen zu lernen. Das mit dem Begreifen nimmt Bob sehr wörtlich: Er zeigt auf einen Haufen Elefantendung und fragt mich, wie ich herausfinden will, wann die „Elys“ hier vorbeigekommen seien. Ich zucke mit den Schultern. Bob steckt seinen Mittelfinger tief in den Haufen – und dann in den Mund. Ich blicke angeekelt, doch er rollt mit den Augen und sagt lapidar: „Ist von gestern Nachmittag.“ Ich will zeigen, dass ich inzwischen ein echter Bush-Boy geworden bin. Doch als ich meinen Mittelfinger zögernd zum Mund führe, rät mir Bob mit einem breiten Grinsen: „Nimm lieber den Zeigefinger. So wie ich.“
Text: Günter Kast
Was für eine Walking Safari spricht
Man nimmt die Umgebung intensiver wahr. Man sieht die Tiere nicht nur, sondern hört sie auch besser, weil nicht ständig ein Motor läuft. Tier- und
Pflanzengerüche wirken direkter.
Man bewegt sich. Angesichts des luxuriösen und üppigen Essens in den Camps ist das durchaus willkommen.
Man sieht Landschaften, die mit Fahrzeugen nicht zu erreichen sind. Vom Regen aufgeweichter Boden oder umgestürzte Bäume sind für Fußgänger keine Hindernisse.
Man kann die eigenen Kinder mal mit einem guten Argument bei den Schwiegereltern abgeben: Denn Kids dürfen im South Luangwa Park aus Sicherheitsgründen nicht mitkommen auf Walking Safaris.
Praktische Informationen
South Luangwa Nationalpark
Der Park ist das berühmteste Tierschutzgebiet Sambias und neben den Victoriafällen der touristische Hotspot des Landes. Er ist der südlichste von drei Parks im Tal des Luangwa-Flusses. Die beiden anderen sind der North Luangwa NP und der Luambe NP. Obwohl der Park bei angelsächsischen Gästen zu den Top Ten Afrikas zählt, ist er bei Schweizer Safari-Fans relativ wenig bekannt. Kenner schätzen ihn als den besten Park, um Leoparden zu beobachten. Wer großes Glück hat, sieht sogar die sehr seltenen Afrikanischen Wildhunde. Außerdem wurden hier Walking Safaris praktisch „erfunden“ und von der Safari-Legende Norman Carr (1912–1997) erstmals für Touristen angeboten.
Anreise
South African Airways fliegt von Zürich via Johannesburg nach Lusaka, der Hauptstadt Sambias (www.flysaa.com).
Den Mfuwe-Flughafen in der Nähe des Eingangs zum South Luangwa Nationalpark erreicht man mit verschiedenen Charterfluggesellschaften. Die Flugzeit Lusaka-Mfuwe beträgt etwa 1 Stunde und 15 Minuten. Nach der Ankunft in Mfuwe werden die Gäste in offenen Allradfahrzeugen abgeholt und zur Mfuwe-Lodge im Park gefahren (etwa 40 Minuten).
Visum
Für die Einreise nach Sambia benötigt man einen mindestens noch sechs Monate gültigen Reisepass und ein Visum, das bei der Ankunft am Flughafen in Lusaka ausgestellt wird. Es kostet derzeit 50 US-Dollar für die einmalige Einreise. Erfolgt die An- und Abreise via Südafrika, muss man eine gültige Gelbfieber-Schutzimpfung nachweisen (Impfpass mitnehmen!).
Klima/Reisezeit
Hauptsaison ist die Trockenzeit von Mai bis Oktober. Im afrikanischen Winter herrschen dann tagsüber angenehme Temperaturen von rund 25 Grad, nachts kann es aber zwischen Juni und August kühl werden. Gegen Ende der Trockenzeit (Oktober) wird es immer heißer. Grundsätzlich sind Aktiv-Safaris im South Luangwa Nationalpark fast das ganze Jahr über möglich. Die „Grüne Jahreszeit“ von November bis März ist die beste Zeit für Vogelbeobachtungen, denn dann sind die Zugvögel aus dem Norden hier. Allerdings sind einige Bush-Camps in der Regenzeit geschlossen und Nebenwege oft unpassierbar.
Gesundheit
Eine Malaria-Prophylaxe mit Tabletten ist obligatorisch.
Wellness
In der Mfuwe-Lodge (www.mfuwelodge.com) gibt es ein kleines Spa. Während der Open-Air-Massagen blickt man direkt auf einen kleinen See mit Flusspferden und Krokodilen.
Veranstalter
The Bushcamp Company, www.bushcampcompany.com – Nomen est omen: Der Veranstalter betreibt neben der Mfuwe Lodge in der Nähe des Parkeingangs (gute Mittelklasse) sechs Busch-Camps im südlichen Teil des Parks, wo es nur wenige andere Safari-Unterkünfte gibt. Das erlaubt Tierbeobachtungen in absoluter Einsamkeit. Jedes der sechs Camps – Kuyenda, Chamilandu, Chindeni, Bilimungwe, Kapamba, Zungulila – hat seinen eigenen Charakter und ist anders eingerichtet. Es empfiehlt sich, mindestens zwei, besser noch drei verschiedene Camps miteinander zu kombinieren. Morgens geht es zu Fuß auf Pirsch, am Abend meistens im offenen Geländewagen. The Bushcamp Company führt Walking Safaris bereits seit 15 Jahren durch, ohne dass es einen Zwischenfall gab, bei dem ein Gast verletzt wurde.
Beratung und Buchung: Abendsonne Afrika GmbH, Zur Unteren Mühle 1, D‑89290 Buch, Deutschland, Tel.: +49 (0)7343/92998–0, www.abendsonneafrika.de; Der Spezialreiseveranstalter organisiert auch die Anreise, die Berater kennen die Bush Camps aus eigener Erfahrung und können maßgeschneiderte Programme zusammenstellen.
Tipp: Einige Tage für die Victoriafälle bei Livingstone einplanen und/oder weitere Parks wie den Kafue Nationalpark besuchen.
Medien
Jörg Gabriel: Safari-Handbuch Afrika, Reise Know-How Verlag, 2007, 8,90 Euro
Landkarte Sambia, Maßstab 1:1.000 000, Reise Know-How Verlag, 8,90 Euro
Claire und Thomas Küpper: Zambia Reisehandbuch, Iwanowski’s Reisebuchverlag, 2001, 29,95 Euro (schon etwas älter, aber immer noch der beste deutschsprachige Führer)