
Markus Nöß hat sich einem Handwerk verschrieben, das Geschick, Kraft und Liebe zum Brauchtum verlangt. Wer stabil steht, sagt
der Schuhmachermeister, besitze auch Selbstvertrauen – und greift deshalb am liebsten zu den Zwiegenähten.
Man weiß nicht so recht vor dem Besuch bei Markus Nöß in Pfronten. Zu welchen Schuhen greift man? Zu den braunen, die bis zum Knöchel reichen? Sie sind sehr bequem, aber auch schon ein paar Jahre alt.
Oder zu den cremefarbenen, die man erst vor kurzem neu erstanden hat? Die sind immerhin noch nicht so richtig eingelaufen. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen: Der Mann, mit dem an diesem Vormittag ein Interview ausgemacht ist, wird bereits bei der Begrüßung den Blick nach unten richten. Auf die Schuhe seines Gegenüber. Und, wer weiß, vielleicht zieht er ja aufgrund der Schuhe, die man trägt, irgendwelche Rückschlüsse auf den Charakter.
Gestatten, Markus Nöß, Schuhmachermeister mit orthopädischer Zusatzausbildung, der sich unter anderem auf das Anfertigen handgemachter Haferlschuhe verlegt hat. Ein Schuhmodell, das typisch ist für die Alpenregion und ursprünglich als Fußbekleidung bei der täglichen Arbeit diente. Heute schlüpft man in den Haferlschuh, wenn besondere Anlässe anstehen: bei einem Heimatabend. Bei einer Hochzeit. Beim Besuch auf der Allgäuer Festwoche.
Die Nachfrage nach dieser Art von Schuhen sei groß, versichert Markus Nöß. Er weiß auch weshalb: „Einen gut gemachten Haferlschuh hat man ein Leben lang.“ Von Qualitätsarbeit spricht Nöß, von einer Anfertigungszeit zwischen sechs und zwölf Wochen, und auch von einem stolzen Preis, der bei rund 900 Euro liegt. Immerhin besitzt man dann einen Allgäuer Kult-Schuh, zwiegenäht, mit feinstem Rindleder gearbeitet, mit gutem Fußklima, wie Nöß es nennt, und hergestellt mitten im Ostallgäu. Auf dem Tisch in Nößs Werkstatt liegt an diesem Vormittag übrigens ein schwarzes Paar Haferlschuhe – für einen Kunden in Lübeck. Die Interessenten für Haferlschuhe kommen längst aus der gesamten Republik.
Das Bewusstsein für gute Schuhe habe in letzter Zeit wieder zugenommen, hat Markus Nöß beobachtet. Ein Trend, den er begrüßt. Denn der Pfrontener glaubt: „Wer gut steht, besitzt auch einen besseres Selbstbewusstsein.“
Ein Leben für die Schuhe: Ja, meint Markus Nöß, so könne man es durchaus formulieren. Der Ostallgäuer hat seinen Traumberuf gefunden und will Urlaubern wie auch Einheimischen sein Wissen weitergeben. So bietet er beispielsweise Haferlschuh-Workshops an. Tatort: Die Werkstatt in der Tiroler Straße in Pfronten. Dort weiht er die Teilnehmer in die Geheimnisse des Zwienähens ein. Oder erklärt, dass man Kraft und handwerkliches Geschick benötige beim Schuhmachen, dass die erste Naht beim Haferlschuh bereits eineinhalb Stunden dauere und dass es notwendig sei, einen Lederschutz an der Hand zu tragen, damit das Garn nicht eine Wunde an der Hand hinterlasse.
Ach ja: War übrigens gut, sich vor dem Interview für das bequeme Paar Schuhe entschieden zu haben. Jedenfalls lobt der Experte: „Gutes Schuhwerk — und sitzt prima.“
Freddy Schissler
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Fotos: Ralf Lienert