Chioggia – Stadt der Kanäle, Brücken und Fahrräder

chioggia
Text & Foto: Stefan Raab

Die kleine Lagunenstadt beeindruckt durch geschäftige Lässigkeit

Nur eine halbe Autostunde trennen Venedig von einer Stadt, die wenig bekannt ist und daher nicht von Touristenströmen überlaufen wird: Chioggia. Klein-Venedig, wie ihr Beiname lautet, unterscheidet sich von der großen Schwester erheblich. Selbstverständlich besteht ein großer Unterschied in der Sammlung historischer Werke und Gebäude, aber eines hat die rund 50.000 Einwohner zählende Stadt der großen venezianischen Dame voraus: ein pulsierendes, geschäftiges Treiben, das von den Bürgern der Stadt selbst ausgeht. Ja, im Gegensatz zu Venedig, in der die Einwohner aufs Festland flüchten, leben und arbeiten die Chioggiotti in ihrer kleinen Stadt.

Vespas knattern, wie überall in Italien, hier auf dem Corso del Popolo, der 800 Meter langen Hauptstraße, der Einkaufsmeile, um die Wette. Aber auch das leichte Sirren fahrender Zweiräder in der Sommerhitze hat hier seinen Platz gefunden. „Chioggia é una cittá bella é piccola. Davere piccola“ („Chioggia ist eine schöne und kleine Stadt. Wirklich klein!“, erklärt Mario vom Vecio Foghero, einem Restaurant in der Calle de Scopici, nur wenige Meter vom Corso del Popolo entfernt. Und der freundliche Barbesitzer Stefano meint: „Es gibt keinen Stadtplan von Chioggia, aber der Buchladen um die Ecke bietet Postkarten von Chioggia an, auf denen eine Karte abgedruckt ist. Vielleicht hilft das Ihnen weiter!“ Wie dem auch sei, für einen Spaziergang entlang der malerischen Kanäle empfiehlt es sich, einfach loszumarschieren. Die Sicht auf belebte Restaurants, Bars und Cafés wechselt sich ab mit ruhig dahinknatternden Fischerbooten unter sich öffnenden Brücken. Palazzi, also Paläste, so weit das Auge reicht!

Fischerstädtchen pur

Der Fischfang wird groß geschrieben; 2.000 Fischer leben von dem, was vor der Haustüre liegt, besser gesagt, im Meer und in der Lagune schwimmt: Seezungen, Wolfsbarsche, Goldbrassen, Jakobsmuscheln und Austern. Fischhändler Antonio, 55, sagt: „Seit über dreißig Jahren verkaufe ich Fisch, und es macht mir immer noch Freude.“ Kein Wunder also, dass der städtische Fischmarkt eine große Bedeutung hat; auch für auswärtige Fischhändler.
Antikmarkt mit echten
Schätzen

Wo wir bei Märkten wären. Auch der „Mercato dell’Antiquariato“ ist dafür bekannt, dass sich zwischen Kitsch und Plunder wahre Schätze verbergen können. Die Veneziani, die am Morgen mit ihrem Vaporetto gekommen waren, ziehen Stunden später mit prallen Plastiktüten zufrieden von dannen. Zufrieden sind damit auch die Chioggiotti, die wieder unter sich sind.

Im Schatten Venedigs

Klar, gefällt es ihnen nicht im Schatten der großen Schwester zu stehen. Aber sie waren noch nie auf den Mund gefallen, weiß Reisejournalistin Patricia Engelhorn: „Bis heute prägen lautstarke Diskussionen und Verhandlungen das Stadtleben. Ganz gleich ob es um Liebe, Politik oder Fußball geht – jedes Gespräch wird zum halböffentlichen Ereignis“, schreibt sie auf welt.de. Dabei könnte es in der auf Holzpfählen erbauten Stadt harmonischer zugehen. Vom Festland kommend bezaubert der Blick auf die Lagune, deren Tier- und Pflanzenwelt sowie die Hafenstadt. So ist Chioggia seit 30 Jahren UNESCO-Weltkulturerbe.

Über neun Kanäle und deren Seitenkanäle kann der Besucher flanieren, ohne von Straßenverkäufern belästigt zu werden. Idylle satt, könnte man meinen – wenn da nicht nur der kilometerlange Sandstrand im Stadtteil Sottomarina wäre…

Stefan Raab

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